Aufruf des Aktionsbündnis 8. März vom 24. März 2020

Im Moment beschäftigt die Gesellschaft nichts anderes so sehr wie die Covid-19-Pandemie. Dabei scheint das restliche Geschehen still zu stehen. 
Das stimmt allerdings nicht: 
Die Unterdrückung der Frau hat sich ja schließlich nicht aufgelöst – im Gegenteil: Gewalt an Frauen steigt, Frauenhäuser sind überfüllt und Frauen sind, stärker als davor, diejenigen, die den Laden am Laufen halten. Ob im Einzelhandel, der Pflege oder im Erziehungswesen – sie sind es, die unsere Grundversorgung garantieren. 
Immer noch werden sie nach wie vor viel zu gering entlohnt und kaum geschätzt. Beifall und Dankesworte ersetzen noch lange keine fairen Löhne, Arbeitsbedingungen und ein funktionierendes Gesundheitssystem. 
Ein Zitat einer Pflegefachkraft: 
 „Wir Pflegekräfte brauchen keine Klatscherei. Wir wollen auch keine Merci-Schokolade und warmen Worte! Wir brauchen 4000 Euro brutto, mehr Personal, Gefahrenzulagen und ein entprivatisiertes Gesundheitssystem!“

Statistiken belegen die wesentliche Rolle der Frau in der Gesellschaft:


Die Gewalt an Frauen nimmt in Krisenzeiten zu
Die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus haben zur Folge, dass sich viele Menschen ununterbrochen zu Hause aufhalten. Bereits nach kurzer Zeit wird dies zu einer psychischen Belastung. Unter anderem durch finanzielle Sorgen wegen Jobverlusten oder Kurzarbeit, die anfallende 24/7 Betreuung der eigenen Kinder und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten. Gerade kontrollsüchtige Partner nutzen die Situation aus. 
Die Krise, in der sich viele jetzt befinden, eskaliert angesichts dieser Faktoren. 
Vor allem für Frauen ist das jetzt besonders gefährlich. Jetzt sind sie komplett der Gewalt ihres Partners ausgesetzt. Ausgangssperren verhindern, sich dem gewalttätigen Partner zu entziehen. Zusätzlich wird Gewalt infolge der Isolation seltener von außen bemerkt. 
In China hat sich die Vermutung bestätigt: Frauen sind seit der Krise dreimal so oft von häuslicher Gewalt betroffen. Auch in Spanien, Italien und Österreich machen sich die ersten Auswirkungen für Frauen bemerkbar.
Frauenhäuser geben bereits jetzt schon an, noch stärker überlastet zu sein als zuvor. In Baden-Württemberg fehlen ohnehin schon mindestens 633 Plätze in Frauenhäusern. Zusätzlich ist das Ansteckungsrisiko für Betroffene und Mitarbeiterinnen auf so engem Raum enorm hoch. 
Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gibt bekannt, es sei sich der Problematik bewusst. Konkrete Lösungen kommen aber nicht. Stattdessen sind Frauenhäuser teils den Kommunen und teils sich selbst überlassen. 
Wir brauchen keine Franziska Giffey, die sich Frauenministerin schimpft, jedoch keinen Finger rührt, uns Frauen zu helfen! Es ist wichtig, dass wir uns jetzt zusammenschließen! Wir müssen weiter für das kämpfen, was jetzt entscheidend ist. 
Es darf keine Ausgangssperre geben: Sie ist für Frauen gefährlich! Wenn wir nicht vor die Türe gehen können, können wir nicht vor der Gewalt fliehen. Wir können uns keine Hilfe holen. Wenn Frauenhäuser überfüllt sind, haben wir keine sichere Bleibe. So schnell wie möglich müssen Notunterkünfte bereitgestellt werden; leerstehende Häuser, Wohnungen und Hotels sind mehr als genug, um uns Schutz vor häuslicher Gewalt zu bieten. 
Das Gesundheitssystem muss entprivatisiert und ausgebaut werden. Personal in der Pflege, im Einzelhandel und im Erziehungswesen verdienen mehr als Applaus. Wir fordern höhere Löhne für eben diejenigen, die nicht erst seit gestern, sondern schon immer die Säule stellen, die unsere Gesellschaft aufrecht erhält. 
Hier möchten wir noch betonen: Hätte man nicht jahrelang das Gesundheitssystem kaputtgespart – entgegen sämtlicher Empfehlungen – stünden wir nicht an dem Punkt, an dem wir jetzt sind. Es kann nicht sein, dass es einer Krise bedarf, um anzuerkennen, welche wichtige Rolle die Frau hier spielt. Und trotzdem wird seitens der Politik nicht eingeräumt, dass drastische Fehler die letzten Jahre begangen wurden. 
Stattdessen wird mantraartig wiederholt, wir sollen solidarisch miteinander sein, indem wir Daheim bleiben. Ja, das stimmt. Solidarität heißt aber auch, mit denen zu kämpfen, die es im Moment besonders hart trifft – ob zu Hause oder im Job. 


Frauen helfen Frauen ist ein Verein, der Frauen hilft, wenn diese von Gewalt betroffen sind. 
Unter folgender Nummer sind sie zu erreichen: 0711 54 20 21
Ebenso hilft das Städtische Frauenhaus weiter: 0711 41 42 430
und die Beratungsstellen bei Häuslicher Gewalt:
Frauenberatung FrauenFanal: 0711 4800212
Beratungsstelle BIF – Beratung und Information für Frauen Tel: 0711. 649 45 50
FrauenInterventionsstelle (Beratung nach einem Polizeieinsatz): 0711 6744826
Das bundesweite Hilfetelefon bei häuslicher Gewalt ist zu erreichen unter: 0800 011 6016

Zum angekündigten Stellenabbau bei Daimler-Benz erklären Björn Blach, Bezirksvorsitzender der DKP in Baden-Württemberg, und Patrik Köbele, Parteivorsitzender der DKP:
 
Der neue Daimler-Konzernchef Ola Källenius musste auf seiner ersten Bilanzpressekonferenz die „Anleger“ enttäuschen: es gibt pro Aktie nur noch 90 Cent Dividende. Der grüne Ministerpräsident Kretschmann beruhigt, er sehe Daimler nicht in der Krise. Die darf es beim Daimler auch nicht geben.
 
Trotz der Überproduktion der Automobilindustrie gelang dem Stuttgarter Konzern eine Steigerung des Umsatzes um 3 Prozent. Die Ursachen für den Gewinnrückgang benennt der Konzern mit sogenannten Zusatzkosten. Dahinter verstecken sich der Dieselbetrug und Probleme mit Airbags. Rechnet man die Zusatzkosten zum Gewinn vor Steuern, sind fast 10 Milliarden aus den Beschäftigten gepresst worden.
 
Für bessere Laune bei den „Anlegern“ soll nun ein Sparprogramm sorgen. Durch die Medien wandert die Zahl von 15.000 zu streichenden Stellen. Schon im vergangenen Jahr wurden allein im Werk Untertürkheim 1.000 Leiharbeiter entlassen.
 
Verzichten müssen die Daimler-Mitarbeitenden auch auf einen großen Teil ihrer „Erfolgsprämien“. Von knapp 5.000 Euro im letzten Jahr bleiben 1.100. Hätten sich die Kollegen nicht eine Prämie schenken lassen, sondern für tabellenwirksame Prozente gekämpft, könnte man ihnen die jetzt nicht so einfach nehmen. Vielleicht hätte sich der Gegenwert der Prämie in der Fläche nicht durchsetzen lassen, das wichtigere Ergebnis wäre die Verhinderung der Spaltung der Belegschaften in den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie gewesen.
 
Die Beschäftigen zahlen damit nicht nur die Betrügereien und Fehler des Managements, sie sollen auch den Umbau des Konzerns zahlen. Der angebliche Gewinnrückgang ist eine Nebelkerze. Sie soll verschleiern, dass auf der einen Seite massive Investitionen nötig sind, um beim Thema Digitalisierung nicht abgehängt zu werden. Auf der anderen Seite gesamtgesellschaftlich das Konzept des Individualverkehrs überholt ist und die Automobilindustrie in ihrer jetzigen Form nur noch für die Profite der „Anleger“ einen Nutzen hat.
 
Für die Arbeitenden gilt es zu erkennen: Die allgemeine Krise des Kapitalismus lässt sich nicht mit Standortlogik und Co-Management lösen.
 
Es braucht einen demokratisch entwickelten Plan, der die Beschäftigung durch radikale Arbeitszeitverkürzung sichert, die technischen Innovationen nutzt und die Produktion auf die Zukunft umstellt, auf Produkte, die die Menschen brauchen, die das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen sowie die Umwelt berücksichtigt.
 
Dazu braucht es die gemeinsame, vereinigte Kraft aller Arbeitenden, ihren Willen dieses Land und diesen Staat zu führen, in ihrem und im Interesse der Mehrheit der Menschen.
 

 

Betteln statt Tarifkampf? Nein Danke!

Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung! Entschlossener Kampf!

Die Unternehmen wollen gerade alles: Umstellen auf E-Autos und Digitalisierung, die herkömmlichen Produkte weiterverkaufen und neue entwickeln, alte Märkte sichern und neue erschließen. Und das alles in Zeiten drohender neuer Krise und von Handelskriegen à la Trump! Die Unternehmen wollen aber vor allem, dass wir, die Kolleginnen und Kollegen das alles bezahlen: Auf Lohn verzichten, den Job verlieren, umsonst länger, mehr und schneller in der gleichen Zeit arbeiten, und dann noch das Chaos bewältigen, das die Manager mit ihren Umstrukturierungen und Sparprogrammen in den Betrieben anrichten. Sie sind so frech, ständig kaum abgeschlossene „Zukunftsvereinbarungen“ wieder infrage zu stellen, neue Zumutungen zu verlangen. Oder sich überhaupt Verhandlungen zu verweigern und ihre Zumutungen zu diktieren.

Unsere Interessen zählen!

Längst haben viele Kolleginnen und Kollegen erkannt: Ohne Widerstand geht in der Tarifrunde gar nichts! Ohne Kampf erreichen wir vielleicht Krümel vom Tisch der Bosse. Deshalb sollten Kolleginnen, Kollegen, Vertrauensleute, Delegierte sich nicht scheuen, ihre Interessen und Forderungen klar zu sagen:

Personalabbau sofort stoppen!

Alle Entlassungen, Stilllegungen und Verlagerungen müssen sofort gestoppt werden, auch das so genannte „Abmelden“, das Feuern der LeiharbeiterInnen! Leihkräfte müssen fest eingestellt werden! Das ist ein Gebot der Solidarität! Schluss mit dieser üblen Spaltung!

Arbeitszeitverkürzung jetzt!

Wir fordern Arbeitszeitabsenkung bei vollem Lohnausgleich sofort!

- Besonders da, wo die Kapazitäten nicht ausgelastet sind und

- Allgemeine tarifliche Arbeitszeitverkürzung für alle um mindestens 2 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich - auf mittlere Sicht die 30-Stundenwoche

- In den östlichen Bundesländern muss die Arbeitszeit sofort an den Westen angepasst werden. Sofortige Reduzierung auf die 35-Stundenwoche!

- Betriebsräte sollen keine Überstunden und Sonderschichten mehr genehmigen! Klare Kante zugunsten einer Umverteilung der Arbeit auf alle!

Lohnerhöhung 5%! Mindestens 200 Euro!

Aus Tarifkommissionen im Land sind bereits Vorstellungen zwischen 4 und 6 % zu hören. Diese Diskussion darf nicht abgewürgt werden. Deshalb stellen wir eine Forderung von 5% Lohnerhöhung, mindestens 200 Euro zur Diskussion.

IG Metall-Vorstand – so nicht!

Wenn der IG-Metall Vorstand um Jörg Hofmann, wie dieser beteuert, eine Lohnerhöhung will, soll er die Mitgliedschaft und ihre Forderungen anhören! Stattdessen bietet er, ohne die Mitglieder zu fragen, in einem Moratorium einen Zukunftspakt der Illusionen an: Ein „Friedensangebot“ – vor Ende der Friedenspflicht soll es zu einem Abschluss kommen! Ohne eine konkrete Zahl für die Lohnerhöhung sollen die Verhandlungen beginnen! Dies ist eine offene Einladung an das Kapital, in Hinterzimmern auf Kosten der Kolleg/innen eine Nullnummer auszubaldowern!

Jörg Hofmann sagt selber, dass bei Unterauslastung einzelner Beschäftigtengruppen „vorrangig eine Rückführung des Arbeitsvolumens ohne Entgeltabsenkung“ nötig sei. Leider soll laut offiziellen Unterlagen der Tarifkommission Baden-Württemberg dies erfolgen durch: „Etwa durch die Nutzung von Arbeitszeitkonten, Kurzarbeit mit Aufzahlung und Arbeitszeitabsenkung mit Teillohnausgleich.“ Dies heißt aber, dass wir die Krisenfolgen bezahlen sollen. Da sagen wir klar: Nein! Warum keine Forderung nach Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohn- und Personalausgleich solidarisch für alle gemeinsam?

Kampfmaßnahmen jetzt vorbereiten!                                    

Wenn der IG Metall-Vorstand glaubt, unter illusorischen Appellen an die Fairness einem entschlossenen Kampf der Gewerkschafterinnen gegen die Metall-Kapitalisten ausweichen zu können, ist er auf dem Holzweg. So werden bestenfalls ein paar Kompromisse erreicht, die wir selber zu bezahlen haben, aber keine substanziellen Verbesserungen. Die Reaktion der Metall-Arbeitgeberverbände von Bayern und Baden-Württemberg Ende Januar zeigen, wohin solch ein „Unterwerfungsangebot“ seitens der IG Metall führt: Die Kapitalseite will eine 5jährige Laufzeit! 5 Jahre Ruhe im Betrieb. 5 Jahre schalten und walten nach ihrem Gusto. Wir wollen keine 5 Jahre ihre Herrschaft erdulden müssen, ohne die Möglichkeit, uns zu wehren und tarifliche Kämpfe zu führen. Wir sagen klar und deutlich: Wir wollen kein Moratorium. Wir geben unser stärkstes Mittel im Kampf für unsere Interessen – unser tarifliches Streikrecht – nicht für 5 Jahre her!

Wir sollten jetzt anfangen, Warnstreiks und Kampfmaßnahmen vorzubereiten.


Am 25. und 26. Januar 2020 findet die "Strategiekonferenz für kämpferische Gewerkschaften" statt. Sie wird organisiert von der VKG - Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften. Die UZ interviewte Christa Hourani, eine der SprecherInnen der VKG.


Was ist denn die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften VKG?
Die VKG ist ein gewerkschaftsübergreifender Zusammenschluss kritischer Kolleg*innen und Initiativen innerhalb des DGB, der sich im Mai 2019 dazu entschlossen hat, für Januar erstmalig eine Konferenz einzuberufen. Uns ist wichtig, innerhalb des DGB für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik einzutreten. Dazu wollen wir uns vernetzen. Immerhin ist uns gelungen, 20 Organisationen zu gewinnen, diese Konferenz gemeinsam zugestalten und durchzuführen. Mit dabei sind die Gewerkschaftslinken mit vielen örtlichen Foren (Stuttgart, Hamburg, Wiesbaden, München, Rhein-Neckar, Dortmund), die ver.di Linke NRW, das Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di, LabourNet Germany, Redaktion Express, DidF – Föderation Demokratischer Arbeitervereine, TIE – Internationales Bildungswerk, OKG – Organisieren-Kämpfen-Gewinnen und einige andere. Das ist ein schöner Erfolg. So einen breiten Einladerkreis für eine Konferenz hatten wir schon lange nicht mehr.

Was ist das Ziel Eurer Konferenz?
Wie gesagt, wir wollen für einen kämpferischen Kurs in den Gewerkschaften eintreten. Dazu wollen wir darüber beraten, wie wir gemeinsam an einem Strang ziehen und uns für eine solche Ausrichtung der Gewerkschaften stark machen können. Es gibt viele gute Ansätze, aber um die Gewerkschaften insgesamt in diese Richtung zu bringen, ist es nötig, sich besser zu vernetzen und zu koordinieren. So könnten beispielsweise Vorschläge und Initiativen für Kämpfe und Kampagnen ausgearbeitet werden, gemeinsam Anträge eingebracht werden, Solidaritätsarbeit für Kämpfe verstärkt und weitere Absprachen organisiert werden.

Welche guten Ansätze meinst du?
In den letzten Jahren hat es einige positive Ansätze in einzelnen Arbeitskämpfen und Betrieben gegeben. So hat der Streik an der Berliner Charité eine Pilotwirkung für Belegschaften anderer Krankenhäuser gehabt, für tarifliche Vereinbarungen zur Personalbemessung zu kämpfen – etwas, das zuvor nicht für möglich gehalten wurde. Das waren gleichzeitig wichtige Schritte in Richtung Demokratisierung von Streiks. Das hat es auch beim Streik von Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen mit einer bislang einzigartigen bundesweiten Streikdelegiertenkonferenz gegeben. Auch die Ganztagesstreiks in der Tarifrunde der IG Metall 2018 waren ein neues Element und haben zur tollen Stimmung und zur guten Dynamik beigetragen. Zudem gibt es ein Aufleben von Arbeitskämpfen für Tarifverträge und gewerkschaftlicher Organisierung, besonders in den wachsenden prekären Bereichen. Das alles sind zukunftsweisende Projekte.

Warum ist die Konferenz gerade jetzt so wichtig?
Gerade in Zeiten der drohenden Zerstörung der Welt durch die kapitalistische Produktionsweise, gegen deren Auswirkungen seit Monaten Hunderttausende auf die Straße gehen, ist eine starke Linke in den Gewerkschaften nötiger denn je. Vor dem Hintergrund von sich abzeichnenden Erschütterungen der Weltwirtschaft, die Deutschland hart treffen können, müssen die Erfahrungen der Vergangenheit ausgewertet und die Weichen für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik gestellt werden.
Was gefällt euch nicht an der jetzigen Gewerkschaftspolitik?
Leider ist die Gewerkschaftspolitik vielfach von sozialpartnerschaftlichen Vorstellungen geprägt. Die Politik des Co-Managements scheint weit verbreitet. Das bedeutet, dass oft die Konkurrenz- und Standortlogik vorherrscht. Diese führt zu Verzicht im Interesse der Unternehmen, wobei als Begründung die Sicherung von Arbeitsplätzen angeführt wird. Tarifauseinandersetzungen werden meist wie ein Ritual durchgezogen, das die Kolleg*innen zwar noch mitmachen, aber was sie im Grunde immer weniger überzeugen oder gar neu motivieren kann.

Was wollt ihr wie ändern?
Wir wollen diskutieren, wie Arbeitskämpfe erfolgreicher geführt und wie sie demokratischer gestaltet werden können. Eine Fragestellung ist zum Beispiel, ob der Kampf für eine bessere Personalausstattung sowie eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung in großen Schritten bei vollem Entgelt- und Personalausgleich ein verbindendes Element sein kann. Klar sollte sein: Ein solcher Kampf um eine Arbeitszeitverkürzung, die diesen Namen verdient, muss gewerkschaftlich gut vorbereitet und organisiert sein und braucht die aktive Solidarität und Unterstützung aus Betrieben, allen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, um sich gegen Kabinett und Kapital durchsetzen zu können. Angesichts des sich ausdehnenden Niedriglohnsektors und weit verbreiteter ungeschützter und sonstiger „atypischer“ Beschäftigung halten wir gerade dies für eine zentrale Herausforderung gewerk­schaftlicher Politik. Die Gewerkschaftsführungen geben zur Zeit die falschen Antworten auf brennende Fragen. Auf der Konferenz wollen wir nach besseren Antworten suchen. Eine erfolgreiche und kämpferische Gewerkschaftsarbeit bietet auch die beste Basis, um rechtsextreme Kräfte zurückzudrängen. Auch dies ist mehr als dringlich.
Vielen Dank für das Gespräch.


Strategiekonferenz 2020
25./26 Januar 2020
DJH Jugendherberge, Deutschherrnufer 12, 60594 Frankfurt am Main
Teilnahmebeitrag mit Übernachtung in der Jugendherberge inkl. Essen 70 €
Anmeldeschluss ist der 10. Januar 2020
Nachfragen an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Anmeldung über: www.vernetzung.org/veranstaltungen

Programm:
Samstag, 25. Januar 2020:
I. Plenum 11 bis 13 Uhr: In welcher Lage befinden sich die Lohnabhängigen in der BRD heute? Was tun in Zeiten von Wirtschaftskrise, Prekarisierung, Arbeitshetze, Massenentlassungen und Umweltzerstörung?

II. 1. Workshopschiene 14.00 bis 16:30 Uhr
Wodurch sollte sich eine konsequente Gewerkschaftspolitik auszeichnen?
AG 1 Kampf für einen neuen „Normalarbeitstag“ – Radikale wöchentliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
AG 2 Mehr Demokratie in Arbeitskämpfen und Gewerkschaften!
AG 3 Gewerkschaftliche Kämpfe politisch führen!

III. 2. Workshopschiene 17 bis 19 Uhr
AG 4 Prekarisierung bekämpfen statt „gestalten“!
AG 5 Internationale Solidarität statt internationaler Konkurrenz!
AG 6 Gewerkschaft und Klimaschutzbewegung zusammenbringen
AG 7 Umgang mit Rassisten und Faschisten im Betrieb

IV. ab 19 Uhr Abendessen und danach gemütliches Beisammensein


Sonntag, 26. Januar 2020
I. Branchen- und Tariftreffen 9.00 bis 10.30 Uhr.
II. Plenum 11 bis 13 Uhr:
Auf welche allgemeinen Zielsetzungen und gemeinsamen konkreten Schwerpunkte können wir uns einigen?

Aus: Junge Welt, vom 15.11.2019 (Von Björn Brunner und Araceli Gomez, La Paz)

 

El Alto steht auf

Boliviens indigene Bevölkerung wehrt sich gegen den Putsch der Rechten und Rassisten. Eindrücke aus den letzten Tagen

 

Nachdem Boliviens Präsident Evo Morales sowie ein Großteil der Minister am vergangenen Sonntag zum Rücktritt gezwungen worden waren, sind Zehntausende Bewohner der benachbarten Stadt El Alto in das Zentrum von La Paz gezogen. Sie protestierten gegen den anhaltenden Rassismus und prangerten die Gewalt der Polizei gegen die Bevölkerung von El Alto an.

La Paz, die am Fuße der Anden gelegene Metropole, ist das politische Herz Boliviens. Dessen Bevölkerung und die Einwohner des angrenzenden und oft als Schwesterstadt bezeichneten El Alto sind zwar ökonomisch stark miteinander verbunden, kulturell jedoch sehr verschieden. El Alto, die jüngste und am schnellsten wachsende Stadt Boliviens, ist geprägt von einer mehrheitlich indigenen Bevölkerung, die in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich aus den ländlichen Gebieten des Altiplano, der Hochebenene im Westen des Landes, zugezogen sind. Bis zu 70 Prozent der in El Alto lebenden Bevölkerung sind Aymara, eines der größten indigenen Völker unter den insgesamt 32 anerkannten Volks- und Sprachgruppen Boliviens.

In einigen der 14 Distrikte, in die sich die Stadt teilt, ist die Wasser-, Abwasser-, Gas- und Stromversorgung noch immer unzureichend. Die Einwohner organisieren sich in Nachbarschaftskomitees, um ihre Lebensumstände zu verbessern.

Unter den neoliberalen Staatschefs Gonzalo Sánchez de Lozada (»Goni«) und Carlos Mesa kam es 2003 vor allem in El Alto zu Aufständen der Bevölkerung gegen die Privatisierung der Gasressourcen. Die Regierung antwortete mit aller Härte und ließ die Proteste durch das Militär blutig niederschlagen. Mehr als 60 Personen wurden ermordet. Die Ereignisse gingen als »Gaskrieg« in die Geschichte Boliviens ein und haben sich tief in das historische Bewusstsein der Bevölkerung eingebrannt. Auch deshalb identifiziert sich ein Großteil der Bevölkerung von El Alto mit dem seit 2006 regierenden ersten indigenen Präsidenten Evo Morales, der ebenfalls Aymara ist.

Die jüngsten Ereignisse wecken in der Bevölkerung Erinnerungen an den »schwarzen Oktober« 2003. Nach den Wahlen vom 20. Oktober hatte Boliviens Opposition angebliche Manipulationen angeprangert. Daraufhin lud Morales die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu einer Überprüfung des Wahlprozesses ein. Deren inmitten der gewalttätigen Proteste rechter Regierungsgegner veröffentlichter Bericht bestätigte die Vorwürfe teilweise. Bereits zuvor waren Einheiten der Nationalpolizei zunächst in Cochabamba und Santa Cruz, dann aber auch in La Paz zur Opposition übergelaufen. Nachdem so die Regierungsgebäude und andere öffentliche Einrichtung nicht mehr gesichert waren, kündigte Morales am frühen Sonntag morgen Neuwahlen an und erfüllte damit eine zentrale Forderung seiner Gegner. Trotzdem forderten kurz darauf hohe Generäle der Streitkräfte den Präsidenten zum Rücktritt auf. Noch am selben Tag erklärten zahlreiche Minister unter dem Druck der Opposition ihre Demission. Sie begründeten das teilweise mit Erpressung, so seien ihre Familienangehörigen bedroht und angegriffen worden. Am Nachmittag beugten sich Morales und sein Vizepräsident Álvaro Garcia Linera dann dem Druck und erklärten ihren Rücktritt.

Bewohner gegen Polizei

Bei einem Teil der Bevölkerung sorgte diese Entscheidung für Jubel. Der verschwand aber schnell, denn schon am Abend machten Berichte über Ausschreitungen und Vandalismus im gesamten Gebiet von La Paz und El Alto die Runde. Das Militär, das zuvor ein Eingreifen zum Schutz der gewählten Regierung verweigert hatte, patrouilliert seither gemeinsam mit der Polizei in den Straßen. Einwohner formierten Bürgerwehren, um mit Knüppeln bewaffnet ihre Viertel zu verteidigen. Besonders in El Alto kam es zu schweren Auseinandersetzungen. Aus Wut über den rechten Putsch, für den die Bewohner von El Alto die Polizei sowie den am 20. Oktober unterlegenen Kandidaten und Expräsidenten Carlos Mesa sowie Luis Fernando Camacho, den erzreaktionären und religiös-fundamentalistischen Oppositionsführer aus Santa Cruz, verantwortlich machten, wurde die Zufahrtsstraße nach La Paz blockiert, Demonstranten steckten sämtliche Polizeistationen der Stadt in Brand.

Am Dienstag versammelten sich gegen Mittag Zehntausende Alteños zu einem spontanen »Cabildo«, einer Volksversammlung, auf der zentralen Plaza San Francisco in La Paz unweit der Regierungsgebäude. Mitglieder der verschiedenen Nachbarschaftskomitees ergriffen das Wort. »Wir sind heute nach La Paz gekommen, um friedlich für den Respekt gegenüber unserer Kultur zu demonstrieren. Wir verurteilen das Verbrennen der Wiphala!« Die Fahne, die als Symbol der indigenen Bevölkerung gilt und neben der rot-gelb-grünen Trikolore zweite Staatsfahne Boliviens ist, war zuvor von Polizisten öffentlich verbrannt worden. »Wir verurteilen den Rassismus der Rechten und wollen, dass ihre Rädelsführer Luis Camacho und Carlos Mesa die Stadt umgehend verlassen. Sie sind der Grund für die anhaltende Konfrontation zwischen Bolivianern.« Weiter verurteilten die Redner die anhaltende Gewalt gegen die Bevölkerung von El Alto: »Wir sind keine Kriminellen, wir sind normale Bürger und Arbeiter, wir sind auch Bolivianer.« Trotzdem schweige die bolivianische Presse darüber, dass Polizei und Militär seit Tagen Tränengas auf friedliche Versammlungen abfeuern und sogar Menschen umbringen. »Es sind schon drei Menschen gestorben. Wir wollen keinen ›schwarzen November‹ wie 2003.«

Nach etwa zwei Stunden setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung, um die verbarrikadierten und von Polizei- und Militärkräften geschützten Regierungsgebäude zu umkreisen. Plötzlich flogen zwei Kampfjets der bolivianischen Luftwaffe in niedriger Höhe und mit waghalsigen Manövern direkt über die Köpfe der Versammelten. Diese reagierten mit Sprechchören: »Wir haben keine Angst, verdammt noch mal!«

Gleichgeschaltete Presse

Raul Velaskes aus El Alto erzählt uns: »Die nationale Presse berichtet nur für die Reichen, für die armen und einfachen Menschen gibt es keine Berichterstattung, nur die internationale Presse berichtet über uns. Nun nutzt das Militär auch noch Flugzeuge, um uns einzuschüchtern, als ob wir die Feinde der bolivianischen Bevölkerung sind. Es ist mir egal, welche Regierung an die Macht kommt, Hauptsache sie macht ihre Arbeit gut. Wir sind keine Politiker, wir sind Arbeiter und Verkäufer, die von unserer täglichen Arbeit leben. Wenn wir tagsüber nicht genügend verkaufen, gibt es abends kein Brot auf dem Tisch. Wir brauchen jetzt eine neue demokratisch gewählte Regierung, mit vielen jungen Menschen aus ganz Bolivien. Wir wollen keine Regierung aus den alten Eliten der Oligarchie, die uns unterdrücken und ausbeuten. Ich hoffe, dass es in Bolivien voran geht.« Maria Mamani, die ebenfalls in El Alto lebt, stimmt zu: »Wir sind Bauern. Mesa und Camacho diskriminieren uns, sie haben unser Wiphala verbrannt, sie hassen unsere Polleras«, die hauptsächlich von indigenen Frauen aus dem Altiplano getragenen Röcke. »Wir werden nicht aufgeben, bis Jeanine Áñez zurücktritt«, richtet sie ihre Kritik gegen die zweite Vizepräsidentin des Senats, die sich am Dienstag (Ortszeit) selbst zur »Übergangspräsidentin« Boliviens ausgerufen hatte. »Sie ist gegen uns Bauern, deswegen werden wir sie nicht akzeptieren.«

Delia Flores aus Caranavi, einer gut 150 Kilometer von La Paz entfernten Kleinstadt, beklagt eine Welle des Hasses gegen die indigene Bevölkerung. »Evo war einer von uns, aus der arbeitenden Klasse, der Armen und einfachen Menschen. Aber jetzt haben die Rassisten die Macht übernommen. Bis sie mich töten, werde ich weiterkämpfen und Evo unterstützen.«

 

Siehe auch: Presseerklärung der DKP