Solidarität ohne Wenn und Aber!

Prozesse in Stuttgart gegen Antifaschisten gehen weiter
Anti-Repressions-Kolumne vom Henning von Stoltzenberg
UZ vom 21. Januar 2022
 
Keine Entwarnung für die linke Bewegung in Stuttgart. Nachdem bereits Findus, Jo und Dy zu Haftstrafen im Zuge antifaschistischer Aktionen verurteilt wurden, ist nun auch der Genosse Chris von einer mehrmonatigen Haftstrafe bedroht. Den Ausgangspunkt bilden Aktionen rund um den traditionellen Silvesterspaziergang an der besonders berüchtigten Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim vor drei Jahren. Erstinstanzlich wurde Chris zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Der Tatvorwurf ist Landfriedensbruch, eine der Lieblingsbezichtigungen der Repressionsbehörden. Eine vermeintliche Straftat aus einer Menge heraus ist immer willkommen, um die Unsrigen mit Verfahren zu überziehen. Mit der Knaststrafe versuchen die Behörden, einen weiteren Aktivisten mundtot zu machen, zumindest für eine gewisse Zeit. Doch das passiert natürlich nicht ohne Widerstand der linken Bewegung in Stuttgart und seiner solidarischen Verteidigung. Der Berufungstermin Ende Januar wurde jetzt verschoben, das verschafft Zeit, um weiteren Protest gegen die Klassenjustiz zu entwickeln.
Die Kriminalisierung von Chris hat wie so oft eine längere Geschichte. Vor rund zehn Jahren saß er bereits mehrere Monate für eine Bühnenbesetzung bei einer rechtspopulistischen Veranstaltung und eine körperliche Auseinandersetzung mit Teilnehmenden im Gefängnis. Danach folgten weitere Verfahren und Bewährungsstrafen für Proteste gegen eine AfD-Veranstaltung im Jahr 2016. Auch eine Hausbesetzung in Stuttgart, die große Wellen schlug und die Wohnungsfrage zur öffentlichen Debatte stellt, wurde ihm zur Last gelegt. In der Hauptstadt Baden-Württembergs ist es so wie vielerorts: Die Strafverfolgung trifft immer die Gleichen in der Hoffnung, ihren Widerstand zu brechen. Gerade da, wo Protestformen über die erkämpften Zugeständnisse der Herrschenden hinausgehen, wird alles versucht, werden sie mit Repression überschüttet. Die polizeilichen Führungszeugnisse derjenigen, die eine langjährige politische Praxis haben, werden gefüllt mit den Klassikern „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“, „Landfriedensbruch“ und „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“.
In Chris‘ Fall kommen zu dem Verfahren erschwerend zwei weitere hinzu. Die Staatsanwaltschaft möchte außerdem eine Verurteilung für die Teilnahme an einer antifaschistischen Demonstration zum rassistischen Terroranschlag in Hanau und an einer Auseinandersetzung mit Nazis der „Identitären Bewegung“ am Rande einer Querdenken-Kundgebung im Mai 2020 erwirken.
Das Solidaritätsbündnis für Chris „Nicht das Ende der Fahnenstange – Solidarität und Weitermachen!“ hat einen offensiven Umgang mit den repressiven Angriffen und drückt es folgendermaßen aus: „Da das Aufgeben politischer Positionen und einer selbstbestimmten politischen Praxis keine Option ist, müssen wir einen Umgang mit staatlicher Repression finden. Zusammenhalt und ein organisierter Umgang mit den Angriffen hilft im Umgang mit den erwartbaren Strafen. So wird der Knast nicht zum Ende der Fahnenstange, sondern lediglich zu einem anderen Terrain im Kampf für eine bessere Perspektive, für eine solidarische Welt. Denn Gefängnisse liegen nicht auf einem anderen Planeten, sondern sind ein Ort gesellschaftlicher Auseinandersetzung, an dem dieselben Konfliktlinien zu Tage treten.“
Diese Annäherung sollten wir aufgreifen, sie ist richtig. Natürlich sollten Haftstrafen für Aktivistinnen und Aktivisten vermieden werden, aber nicht um jeden Preis. Um den rechten Vormarsch zu stoppen, braucht es kreativen und entschlossenen Widerstand. Und wenn sie einen von uns einsperren wollen oder es tatsächlich tun – Solidarität ohne Wenn und Aber!
 

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