Bericht des Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart (AABS):

Das Thema gesellschaftlicher und struktureller Rassismus ist in letzter Zeit präsent wie nie. Nach den Ausschreitungen vergangener Woche wollte die AfD, die sowieso schon rassistische Stimmung in Stuttgart für ihre Hetze nutzen. Um genau diese Hetze zu verbreiten hat der Landesverband der AfD Baden Württemberg heute eine Kundgebung in der Stuttgarter Innenstadt gemacht. Dagegen trugen bis zu 500 AntifaschistInnen ihren Protest auf die Straße.

Begonnen hatte der Tag mit einer Kundgebung von Stuttgart gegen Rechts auf dem Marktplatz. Nach drei kurzen Reden schlossen sie die TeilnehmerInnen dem lautstarken, direktem Protest an. Mit einer Spontandemonstration sind wir über die Königstraße zu den Eingängen zur Kungebung gezogen. Auch wenn diese durch die Polizei großräumig abgesperrt wurden und die Polizei zwei Wasserwerfer aus Rheinland-Pfalz, Pferdestaffeln und mehrere Hundertschaften angekarrt hat, gelang es uns zeitweise bis zu drei Eingängen zu blockieren. So wurde nicht nur einigen AfD‘lern der Zugang erschwert, sondern die AfD-Kundgebung auch über die gesamte Dauer von zwei Stunden lautstark gestört. Obwohl Weidel zur Abreise ihre Anhänger noch ermahnte, Parteisymbole nicht offen zu tragen, gelang es Antifas vereinzelt, AfD‘ler auch bei der Abreise zu stören.

Wie so oft wurden zwei SSB-Busse auf dem Schillerplatz bereit gestellt, um die Rechten gesammelt von der Kundgebung zu fahren. Auch wenn die Busse am Ende „nur“ zur Ablenkung eingesetzt wurden, hat die Stadt wiedereinmal gezeigt wessen Interessen sie allzu oft verteidigt, während Gegenproteste schikaniert werden. Abgeschlossen haben wir den Tag nochmals mit einer Spontandemonstration durch die Stuttgarter Innenstadt. Polizeivize Berger war es hier wohl besonders wichtig, nach seinem „Versagen“ am letzten Samstag, zumindest dieses Wochenende einen Kontrollverlust zu vermeiden. Hierfür setzte er sich mit persönlichem Filmteam regelrecht in Szene.

Bereits einmal organisierte der Landesverband unter Vorsitzenden und Partei-Schwergewicht Alice Weidel eine kurzfristige Kundgebung in Stuttgart. Mit vermehrten Auftreten in der Öffentlichkeit versucht sie, den tief zerstrittenen Landesverband unter ihre Fittiche zu bringen. Auffällig ist hier, dass die Stuttgarter AfD bereits gestern eine „Parallelkundgebung“ organisierte und heute in großen Teilen der Kundgebung Weidels fernblieb. Mit ihrer Hetze verstärkt die AfD das gesellschaftliche Klima, das verantwortlich für die rassistische Gewalt ist die MigrantInnen tagtäglich trifft.

Doch nicht nur die AfD verschärft mit ihrer rassistischen Hetze das gesellschaftliche Klima. Die ganze Woche überboten sich „Law & Order“ Politiker, von der CDU bis zum rechten Flügel der SPD, mit ihren Forderungen. Vorne mit dabei Baden-Württembergs Innenminister Strobl, der gerade an einer Verschärfung des Polizeigesetzes arbeitet und jetzt noch einmal eins drauf setzen will.

Für uns als AntifaschistInnen bedeutet das, gerade jetzt auch antirassistische Praxis zu entwickeln und mit dem Kampf gegen Faschismus zu verbinden. In Stuttgart zeigt sich die Notwendigkeit gerade sehr deutlich: am Wochenende sind Hundertschaften einzig damit beschäftigt Leute, meistens MigrantInnen, in der Innenstadt zu kontrollieren. Dieses martialische Auftreten verschärft den Unmut der Betroffenen nur noch weiter, wodurch ein Interesse am Widerstand gegen Rechts zunimmt. So schlossen sich gestern und auch heute spontan vor allem junge Menschen unseren Protesten an. Diesen Unmut müssen wir mit einer Perspektive im Kampf gegen Rassismus und rechte Hetze verbinden.

 

 

 

 

Erklärung der SDAJ Stuttgart vom 17.06.2020:

Vor zwei Tagen (15.06.2020) ist der Verfassungsschutzbericht 2019 für Baden-Württemberg erschienen, in welchem der Verfassungsschutz in einem extra Kapitel über „verstärkte Werbung der SDAJ an Schulen“ warnt.

Die Warnung: Wir würden mit Schülervertretungen zusammenarbeiten, in der Nähe von Schulen Stickern und Plakatieren und eine Zeitschrift mit dem Namen „Roter Spickzettel“ herausgeben. Wir seien kapitalismuskritisch, gegen das Schulsystem und für eine sozialistische Gesellschaft. Und haben laut Verfassungsschutz mit dieser Art der Mitgliedergewinnung sogar noch Erfolg.

Und ja es stimmt: Wir sind an mehreren Schulen in Stuttgart aktiv, unterstützen die SMVen und sind gegen den Kapitalismus, welcher dazu führt, dass immer mehr SchülerInnen an Leistungsdruck zerbrechen oder in kaputten Schulgebäuden sitzen. Und ja: Unserer Meinung nach gehört dieses System gestürzt.

Dass wir schon länger ein Dorn im Auge des Verfassungsschutzes oder rechten Parteien sind, ist uns bekannt. So werden wir immer öfter in Anfragen der AfD im Landtag erwähnt (u.a. weil wir bei Fridays for Future mit Menschen reden) und der Verfassungsschutz verschickt Warnungen über uns an alle Schulen in Baden-Württemberg. Ein Genosse von uns, welcher in einer Einrichtung des Jugendamts wohnte, wurde regelrecht von seinen Betreuern aufgrund seiner Mitgliedschaft in der SDAJ drangsaliert. Und erst 2017 kam es in Stuttgart und im Kreis Rottweil zu zwei Anquatschversuchen des Verfassungsschutzes gegenüber GenossInnen von uns.

Was uns dieses mal aber wirklich abfuckt ist, dass der Verfassungsschutz über Informationen verfügt, welche er nur durch LehrerInnen erhalten haben kann. Unsere Genossin Julia (Name geändert) sagt dazu: „Der Lehrer, der mir in Geschichte beibringt, wie schlimm Bespitzelung in der DDR war, hat mich beim Verfassungsschutz angeschwärzt“. Schon öfters wurden auch Mitglieder und aktive Schülervertreter von uns zu Gesprächen mit der Schulleitung und ihren LehrerInnen eingeladen, um ihnen zu erklären wie schlimm die SDAJ sei und dass sie sich damit angeblich die Zukunft verbauen würden. Stattdessen solle man den Kontakt zu uns abbrechen und sich wieder auf die Schule konzentrieren. Den SchülerInnen soll dadurch Angst gemacht werden sich für ihre Rechte einzusetzen und sich mit uns auseinanderzusetzen.

Dabei sagen wir als SDAJ klar in unserer Schüli-Kleinzeitung: „Wir müssen uns mit den Lehrkräften für eine Schule einsetzen, in der es nicht ums aussortieren per Noten, sondern ums gemeinsame Lernen und sinnvolles Feedback geht.“ Denn schließlich haben SchülerInnen und LehrerInnen dieselben Interessen und müssen gemeinsam für ihre Rechte und ein anderes, ein besseres Bildungssystem kämpfen.

Viele LehrerInnen stehen jedoch auch hinter uns. So haben uns LehrerInnen über E-Mails des Verfassungsschutzes informiert und auch in der DKP schließen sich in der „Branchengruppe Bildung und Erziehung“ immer mehr LehrerInnen zusammen, um gegen dieses Bildungssystem vorzugehen.

Während es in anderen Bundesländern teilweise Normalität ist, dass sich SMV und SDAJ gemeinsam für ihre Rechte einsetzen, versucht der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg einen Keil zwischen uns SchülerInnen zu treiben, um so zu verhindern, dass wir gemeinsam für unsere Interessen aktiv werden. Währenddessen können Nazis in Baden-Württemberg ungehindert aufmarschieren und die Polizei prügelt ihnen noch den Weg frei. Nicht zu vergessen seien die Todeslisten, welche von Nazis über mehrere Jahre im Internet verbreitet wurden oder die NSU Akten welche für 120 Jahre verschlossen bleiben.

Dies zeigt klar auf wessen Seite der Verfassungsschutz steht!
Deshalb sagen wir als SDAJ: Der Verfassungsschutz gehört abgeschafft!

Wir verurteilen den Angriff auf die Meinungsfreiheit, lassen uns nicht einschüchtern und werden weiterhin an Schulen aktiv bleiben!

Wer kein Bock hat sich von Schulleitung und Verfassungsschutz zum Schweigen bringen zu lassen, sollte aktiv werden. Wir laden alle SchülerInnen ein sich selbst eine Meinung über die SDAJ zu bilden.

 

Am 20. Juni jährt sich der Todestag von Liselotte, kurz Lilo, Herrmann. Sie war eine kommunistische Widerstandskämpferin gegen den deutschen Faschismus und unter anderem auch in Stuttgart aktiv. Schon früh engagierte sie sich in kommunistischen Jugendgruppen und trat 1931 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei. An der technischen Hochschule Stuttgart studierte sie Chemie und anschließend Biologie in Berlin. Für ihre politische Arbeit wurde sie zusammen mit 110 anderen Studierenden der Universität verwiesen. 1934 wurde ihr Sohn Walter geboren, doch er konnte seinen Vater, den Stuttgarter KPD Funktionär Fritz Rau, nie kennenlernen, da ihn die Gestapo 1933 bereits im Gefängnis ermordete.
Lilo zog zurück nach Stuttgart, wo sie weiterhin im Untergrund im antifaschistischen Widerstand kämpfte. Sie leitete beispielweise wichtige Informationen über Rüstungsprojekte der Nazis an KommunistInnen in der Schweiz weiter.
Im Dezember 1935 wurde sie verhaftet und blieb bis zu ihrem Prozess inhaftiert. Trotz zahlreicher Verhöre und erschwerten Haftbedingungen schützte sie ihre GenossInnen und gab den Faschisten keine Informationen.
Am 20. Juni 1938 wurde Lilo hingerichtet.

Gedenkkultur ist nicht nur an einem Tag im Jahr wichtig, sondern sollte in unserem politischen Handeln stets bei uns sein. Wir wollen, nicht nur an Lilo und ihren Kampf erinnern, sondern ihn auch weiterführen. Es ist wichtig antifaschistische Geschichte sichtbar zu machen!
Auch heute zeigt sich immer wieder, dass Rassismus und Faschismus tödlich sind. Gerade in der aktuellen Rechtsentwicklung, zeigt Lilo Herrmanns mutiges Handeln, dass unser Kampf trotz widriger Umstände weitergeführt werden muss.
Kommt deshalb am Samstag, den 20. Juni um 12 Uhr zum Gedenkstein im Unipark (Universitätsgelände Stadtmitte, Keplerstraße 7) und lasst uns gemeinsam Lilo Gedenken.
Erinnern heißt Kämpfen!

 

Facebookveranstaltung: facebook.com/events/275101910514387


Aktionsbündis 8. März Stuttgart
Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region
DKP Stuttgart
Linkes Zentrum Lilo Herrmann
VVN-BdA Kreisvereinigung Stuttgart

 

Kurzer Video-Clip:
youtube.com/watch?v=m-DPm4tnu6s&feature=youtu.be


Broschüre des Linken Zentrum Lilo Herrmann:
linkeszentrumstuttgart.org/wp-content/uploads/2017/10/ll-broschuere-onlineversion.pdf

 

 


Am 30. Mai 2020 wurde des Willi-Bleicher-Gewerkschaftshauses in Stuttgart gegen 11:00 Uhr von der neonazistischen Identitären Bewegung besetzt, ein den DGB diffamierendes Transparent entrollt, Kunstblut verspritzt sowie pyrotechnisches Feuer entzündet. Das Transparent trug die Aufschrift „DGB hat mitgeschossen“. Damit wurde eine Verbindung zum tätlichen Übergriff auf rechte Betriebsräte vom „Zentrum Automobil“, die bei Daimler in Untertürkheim ihr Unwesen treiben, im Umfeld einer Demonstration gegen Corona-Beschränkungen hergestellt. Der Angriff entlarvt die Verstrickungen von „Zentrum Automobil“ mit neofaschistischen Kreisen.
Dieser Angriff auf das Gewerkschaftshaus in Stuttgart ist eine neue Qualität des neonazistischen und rechtsextremen Terrors gegen Gewerkschaften. Erstmals nach Ende des Faschismus vor 75 Jahren wurde das DGB-Haus von Faschisten angegriffen.
Die Reaktion des DGB Baden-Württemberg war äußerst verhalten. Zur Kundgebung am 5. Juni wurde nicht öffentlich mobilisiert, nur intern. Auch der Aufruf „Demokratie stärken und schützen“ war angesichts dieser neuen Qualität des Angriffs viel zu defensiv. Selbst gab man sich die Beschränkung auf 150 Teilnehmer, obwohl auch angrenzende Straßen in die Kundgebung hätten einbezogen werden können, wenn der Platz vor dem Gewerkschaftshaus je nicht gereicht hätte. Mobilisiert wurde hauptsächlich über linke Strukturen. Über 300 Kolleginnen und Kollegen kamen, um den Angriff zu verurteilen und ihre Solidarität mit dem DGB zu zeigen.
Der Vertrauenskörperleiter von Daimler Untertürkheim, Miguel Revilla, erinnerte an Willi Bleicher, den Namensgeber für das DGB-Hauses, der selbst Antifaschist und Kommunist war und viele Jahre im KZ verbringen musste. Sein berühmtes Zitat „Du sollst dich nie vor einem lebenden Menschen bücken“, ergänzte Miguel „- und erst recht nicht vor einem Faschisten“. In seiner Rede machte er sehr deutlich, dass sich die Kollegen nicht spalten und einschüchtern lassen: „Eine Ansage an alle Faschisten dieser Welt: Wir überlassen euch nicht unsere Häuser und nicht die Köpfe der Menschen, wir verstecken uns nicht, wir sind mehr und wir sind alle Antifaschisten – wir werden immer und überall, sowie heute, gegen eure Ideologie, die ein Verbrechen ist, kämpfen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erklärung der DKP Stuttgart zum Anschlag
Die DKP Stuttgart verurteilt den Anschlag faschistischer Kräfte auf das Stuttgarter Gewerkschaftshaus am 30. Mai.
75 Jahre nach der Zerschlagung des Faschismus müssen wir feststellen, daß Faschisten in unserem Land wieder eine Bedrohung darstellen. Seit Jahren werden Anschläge, Morde etc. von Rechtsextremen wie der Identitären Bewegung verübt und die Staatsmacht schaut zu, schlimmer noch, Polizei und Militär sind von Rechten durchsetzt. Bei Aktionen und Blockaden von Antifaschisten wird von der Staatsmacht der Weg für Faschisten freigekämpft, der ältesten antifaschistischen Organisation der VVN BdA wird die Gemeinnützigkeit entzogen.
Wir haben auch nicht vergessen, daß am 2. Mai 1933 die Gewerkschaftshäuser von den Nazis besetzt wurden und viele GewerkschaftskollegInnen in den Konzentrationslagern gefoltert und ermordet wurden. „Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch“ das Kapital will sich in Krisenzeiten eine Option offenhalten.
Deshalb kämpfen wir gemeinsam gegen Faschismus und Kriegsvorbereitung für eine solidarische Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung.

Erklärung des Zukunftsforums
Das Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften verurteilt den am 30. Mai verübten Anschlag auf das Gewerkschaftshaus in Stuttgart und die Besetzung durch die rechtsextreme nationalistische Identitäre Bewegung. Wir können nicht zulassen, dass rechte Kräfte unsere Gewerkschaften angreifen. Wir haben nicht vergessen, dass dieses Haus von 1933 bis 1945 in den Händen der Faschisten war und dass der antifaschistische Kampf zahlreichen GewerkschafterInnen das Leben gekostet hat. Deswegen: Wehren wir den Anfängen. Wir fordern das Verbot aller faschistischen Organisationen.
Wir erklären uns mit dem DGB solidarisch und kämpfen mit ihm gemeinsam gegen rechte Angriffe, gegen Faschismus und Krieg, für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung.