Redebeitrag zum Frauenkampftag 2019 in Stuttgart

Liebe Freundinnen und Freunde,

Liebe Genossinnen und Genossen.

Ja – es tut sich wieder was. Die Frauenbewegung ist in den letzten Jahren zu neuem Leben erwacht und Frauenstreiks zu einer globalen Bewegung geworden. In Argentinien kamen bereits Ende 2016 Tausende zum Nationalstreik der Frauen zusammen und protestierten unter dem Motto „Nicht eine weniger – nicht eine Tote mehr“ gegen Femizide und Gewalt an Frauen. In Polen hat 2016 ein landesweiter Frauenstreik eine Verschärfung des Abtreibungsrechts verhindert. Der Frauenstreik, an dem sich in Europa bis heute die meisten Menschen beteiligten, fand letztes Jahr am 8. März in Spanien statt. Insgesamt waren es fast sechs Millionen Menschen, zirka 40 Prozent aller spanischen Lohnabhängigen. In 300 Städten gab es Demonstrationen. Der Streikaufruf »Si paramos todas, paramos todo« entsprach sinngemäß dem Schweizer Motto von 1991: »Wenn Frau will, steht alles still! Mittlerweile gab und gibt es Frauenstreiks in ca. 50 Ländern. Das zeigt: Die Bewegung ist international.

Insbesondere der große Streik der spanischen Frauen letztes Jahr hat großen Mut gemacht und neuen Auftrieb gegeben, am diesjährigen Frauentag auch in vielen anderen Ländern große Aktionen zu planen.

Auch hier in Deutschland nahm die Frauenbewegung Fahrt auf und organisierte sich neu, um am 8. März große Proteste durchzuführen. Von Hamburg bis München und von Freiburg bis Rostock und auch in Stuttgart haben sich inzwischen über 40 Streikkomitees und Netzwerke gegründet. In dutzenden Städten fanden gestern Demos, Kundgebungen, Aktionen und kleinere Streiks statt mit zehntausenden Teilnehmenden – also deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. Organisiert wurde dies von der bundesweiten Vernetzung „Frauenstreik“, an deren Treffen Ende letzten Jahres rund 400 Frauen teilnahmen. Am Ende stand ein im Konsens verabschiedeter Aufruf zum Frauen-Streik. So etwas gab es tatsächlich schon lange nicht mehr – um genau zu sein, 25 Jahre lang. 1994 hatten in Deutschland über eine Million Frauen an Streiks, Protesten, Kundgebungen und Demos teilgenommen. An diesen Aktionsformen FrauenStreikTag und FrauenProtestTag von 1994 hat die neu entstandene Bewegung in Deutschland angeknüpft. Das ist gut so, denn diese Aktionen damals brachten Erfolge.

In Stuttgart hatten vor 25 Jahren am Internationalen Frauentag unter dem Motto „Charlotte nimmt sich ihren Platz“ über 1000 Frauen den Charlottenplatz besetzt. Der Verkehr kam zum Erliegen. Es gab damals bei vielen Straßenkreuzungen keine Überquerungsmöglichkeit. FußgängerInnen, RollstuhlfahrerInnen, Mütter mit Kinderwägen und Menschen mit Behinderung mussten, treppauf, treppab unter den vielbefahrenen Straßen hindurch. Daher wurden barrierefreie Zugänge gefordert. Dies wurde erreicht. Heute können die Menschen ebenerdig – also rollstuhl-, behinderten- und kinderwagengerecht – über fast alle Stuttgarter Straßen gehen. Das hat die Stuttgarter Bevölkerung dieser politischen Frauenstreikaktion zu verdanken. Dies zeigt, dass bei genügendem Druck Erfolge möglich sind.

Gestern gab es in Stuttgart vielfältigste Aktionen. Los ging es am Schlossplatz mit Infoständen, Reden und Aktionen – unter anderem mit einem gemeinsamen globalen Aufschrei um 17 Uhr für 100 Sekunden – eine globale Aktion in allen Städten rund um die Welt. Die 100 Sekunden stehen für 100 Minuten, die Frauen im Schnitt täglich ohne Entgelt arbeiten, weil sie immer noch 22 Prozent weniger verdienen.

Da in der Königstraße keine Demos genehmigt werden, nahmen die mehr als 600 Protestierenden die Königstraße unangemeldet in Besitz und zogen Richtung Rotebühlplatz hoch. Auf dem Weg gab es vor Primark die Aufführung eines Theaterstücks von der Kampagne für saubere Kleidung – gegen die Arbeits- und Ausbeutungsverhältnisse in der Textilindustrie in den Billiglohnländern.

Weitere Proteste gab es zu den prekären Beschäftigungsverhältnissen bei Kaufhof,
C & A und Breuninger sowie die Tarifrunde des Einzelhandels. Am Charlottenplatz wurde an die Aktion vor 25 Jahren erinnert. Am Schlossplatz an die historischen Erfolge der Frauenbewegung wie die Erkämpfung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren durch die Novemberrevolution. Mit der Aufstellung von Schildern über aktuelle Frauenkämpfe in zahlreichen Ländern wurde die Internationalität dieses Tages hervorgehoben.

Eine weitere Aktion gab es auf der Theodor-Heuss-Straße – eine Brücke wurde mit 2 Transparenten zum Gedenkort gegen Gewalt an Frauen und in einer Gedenkrede wurde aller Frauen gedacht, die ermordet wurden, aber auch der Widerstand der Frauen gewürdigt. Der Gustav-Heinemannplatz vor dem Gewerkschaftshaus wurde in Clara-Zetkin-Platz umbenannt – verbunden mit einer Gedenkrede auf Clara Zetkin. Im Gewerkschaftshaus gedachten wir der Ermordung von Rosa-Luxemburg vor 100 Jahren und gaben dem Raum im Erdgeschoss den Namen Rosa-Luxemburg-Raum.

Ein sehr gelungener Internationaler Frauentag mit bunten Aktionen, viel Power und politisch wirklich wegweisend. Ein gutes Vorbild für die kommenden Frauentage. Es soll auch kein einmaliges Highlight bleiben. Über den 8. März hinaus will das neu entstandene Stuttgarter Aktionsbündnis 8.März gegen die Unterdrückung und Ausbeutung der Frauen aktiv werden. Das Aktionsbündnis besteht aus Gewerkschaften, antifaschistischen, antimilitaristischen und klassenkämpferischen Initiativen sowie mehreren Parteien. Die DKP ist auch mit dabei.

Ich denke, wir können mit den diesjährigen Aktionen am 8. März von einem neuen Aufschwung der Frauenbewegung auch in Deutschland sprechen. Weltweit ist ja bereits seit einigen Jahren ein Aufschwung zu beobachten. Sehr ermutigend.

Auch in unseren Zusammenhängen sollten wir intensiver die Frauenbewegung unterstützen und mit politisch prägen – nicht nur am Internationalen Frauentag.

In diesem Sinne – wünsche ich euch eine interessante, kämpferische und motivierende Frauentagsveranstaltung.

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