100 Jahre 8-Stundentag - Veranstaltungsbericht und Hintergrundinfos

Festveranstaltung in Stuttgart
Anlässlich des 100 jährigen Jubiläums des 8-Stundentags gab es am 29. November in Stuttgart eine gemeinsame Festveranstaltung von DGB, IG Metall, verdi und dem Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften. Hauptredner war der Politikwissenschaftler Frank Deppe. Die Marbacher Songgruppe hat mit ihren Liedern der Festveranstaltung einen schönen Rahmen gegeben und ein Stück Arbeiterkultur zum Leben erweckt. Im Anschluss gab es sehr rege Diskussionen bei Sekt und Häppchen bis in die späte Nacht.

Hintergrund:
100 Jahre 8-Stundentag – eine wichtige Errungenschaft der Novemberrevolution

Auch der 8-Stundentag ist eine Errungenschaft der Novemberrevolution und feiert sein 100 jähriges Jubiläum. Er wurde vom Rat der Volksbeauftragten am 12. November 1918 beschlossen. Dieser Rat war vom 10. November an die amtierende provisorische Revolutions-Regierung. Er beendete am 11. November den Ersten Weltkrieg mit einem Waffenstillstand. Gleich einen Tag später beschloss er den 8-Stundentag, was zeigt, welche Bedeutung diese langjährige Forderung der Arbeiterbewegung für ihn hatte. Zum 1. Januar 1919 wurde der 8-Stundentag eingeführt und zwar mit vollem Lohnausgleich.Dies war ein großartiger Erfolg der Revolution, stand die Forderung doch schon viele Jahrzehnte im Fokus der Arbeiterbewegung. Die üblichen Arbeitszeiten zu Beginn der Industrialisierung lagen zwischen 12 und oft sogar 14 Stunden an 6 Wochentagen. Diese konnten im Laufe des 19. Jahrhunderts reduziert werden, aber während der Kriegsjahre 1914 bis 18 ist die Arbeitszeit wieder auf 12-13 Stunden gestiegen.Auch im Stinnes-Legien-Abkommen, das u. a. zwischen dem Rüstungsindustriellen Hugo Stinnes und dem Vorsitzenden der Gewerkschaft, Carl Legien, am 15. November 1918 beschlossen wurde, machte das Kapital Zugeständnisse wie die Einrichtung von Arbeiterausschüssen, Abschluss von Kollektivverträgen und eben auch den 8-Stundentag. Aber im Gegenzug versprach der Vorsitzende der Gewerkschaft Legien, dass die Eigentumsverhältnisse nicht angetastet und die Arbeiter-und-Soldaten-Räte verschwinden würden. Eine Zusage, die der Revolution in den Rücken fiel. Denn die Arbeiterbewegung wollte anderes. Der zentrale Reichsrätekongress Mitte Dezember 1918 forderte die Sozialisierung der Schlüsselindustrien und die Kontrolle der Betriebe durch die Arbeiter. Der Preis, den der 8-Stundentag kostete, war also hoch. Aber gerade was man teuer bezahlt hat, muss man in Ehren halten und gegen alle Aufweichungstendenzen verteidigen. Wie zum Beispiel jetzt gegen den Vorstoß der baden-württembergischen CDU und von Arbeitgeberverbänden, insbesondere aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe, die tägliche Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden auszuweiten.Trotz dieses Abkommens bleibt der 8-Stundentag ein großer Sieg der Revolution, ein großer Sieg im langen Kampf um eines der zentralen Elemente des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit. Dem Kapital bleibt es ein verhasstes Symbol der Revolution.

In Stuttgart wurde der 7-Stundentag gefordert
In Stuttgart forderte der Arbeiterführer, Spartakist und Vorsitzende des Stuttgarter Arbeiterrats Fritz Rück auf der Kundgebung am 4. November 1918 auf dem Schlossplatz vor 40.000 Demonstranten den 7-Stundentag. Auch in der „Roten Fahne“ vom 5. November, dem Mitteilungsblatt des Stuttgarter Arbeiter- und Soldatenrats, der sich am 4. November gegründet hatte, wird die siebenstündige Arbeitszeit als Forderung des Arbeiter- und Soldatenrates benannt – eine Besonderheit von Stuttgart.Diese Besonderheit hängt sicher auch damit zusammen, dass in Stuttgart einige Großbetriebe schon kürzere Arbeitszeiten eingeführt hatten. So zum Beispiel Daimler, der 1906 nach harten Auseinandersetzungen die Arbeitszeit auf 9,5 Stunden reduzierte, davon war ½ Stunde Pause. 1911 wird der freie Samstag Nachmittag eingeführt, allerdings ohne Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Noch besser war die Vereinbarung bei Bosch. Dort wurde 1894 der 9-Stundentag und 1906 der 8-Stundentag eingeführt.

Wilhelm Liebknecht schrieb 1885 in der Zeitung „Sozialdemokrat“ über die Wichtigkeit des Kampfes um die Länge des Arbeitstages: Und so wird denn, seit es Lohnarbeit, Arbeiter und Kapitalisten gibt, der Kampf geführt um die Länge des Arbeitstages. Hier zerrt der Kapitalist, dort der Arbeiter – jener versuchend, ein Stück anzuheften, dieser eines abzureißen. Jede Verlängerung des Arbeitstages ist ein Sieg der Kapitalisten. Jede Verkürzung des Arbeitstages ein Sieg der Arbeiter. Gerade hier, am Arbeitstage, gewissermaßen im Mutterleibe der kapitalistischen Produktion, zeigt sich am handgreiflichsten, drastischen der unversöhnbare Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit.“

Christa Hourani 


Grußwort des Zukunftsforums der Stuttgarter Gewerkschaften bei der Veranstaltung:

Liebe Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,im Namen des Zukunftsforums Stuttgarter Gewerkschaften möchte ich euch ganz herzlich begrüßen zu unserer heutigen gemeinsamen Festveranstaltung 100 Jahre 8-Stundentag. In den letzten Wochen gab es zahlreiche Veranstaltungen hier in Stuttgart zur Novemberrevolution, in denen auch immer wieder diese wichtige Errungenschaft der Revolution erwähnt wurde.
Heute nun wollen wir uns tiefer mit der Geschichte und Bedeutung des 8-Stundentags, ja allgemein des Kampfes um Arbeitszeitverkürzungen beschäftigen.Wilhelm Liebknecht beschrieb bereits 1885 in der Zeitung „Sozialdemokrat“ die Wichtigkeit des Kampfes um die Länge des Arbeitstages: Und so wird denn, seit es Lohnarbeit, Arbeiter und Kapitalisten gibt, der Kampf geführt um die Länge des Arbeitstages. Hier zerrt der Kapitalist, dort der Arbeiter – jener versuchend, ein Stück anzuheften, dieser eines abzureißen. Jede Verlängerung des Arbeitstages ist ein Sieg der Kapitalisten. Jede Verkürzung des Arbeitstages ein Sieg der Arbeiter. Gerade hier, am Arbeitstage, gewissermaßen im Mutterleibe der kapitalistischen Produktion, zeigt sich am handgreiflichsten, drastischen der unversöhnbare Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit.“
Dieser unversöhnbare Gegensatz zieht sich durch die Geschichte des Kampfes um die Arbeitszeit durch.
Zurück zur Novemberrevolution:Der 8-Stundentag wurde vom Rat der Volksbeauftragten beschlossen. Dieser Rat war vom 10. November an die amtierende provisorische Revolutions-Regierung. Am 11. November beendete der Rat den Ersten Weltkrieg mit einem Waffenstillstand, am 12. November beschloss er den 8-Stundentag, der dann zum 1. Januar 1919 eingeführt wurde. Ganz wichtig: der volle Lohnausgleich war inbegriffen.
Dies war ein großartiger Erfolg der Revolution, stand die Forderung doch schon viele Jahrzehnte im Fokus der Arbeiterbewegung. Die üblichen Arbeitszeiten zu Beginn der Industrialisierung lagen zwischen 12 und oft sogar 14 Stunden an 6 Wochentagen. Diese konnten im Laufe des 19. Jahrhunderts reduziert werden, aber während der Kriegsjahre 1914 bis 18 ist die Arbeitszeit wieder auf 12-13 Stunden gestiegen.
Auch im Stinnes-Legien-Abkommen, das u. a. zwischen dem Rüstungsindustriellen Hugo Stinnes und dem Vorsitzenden der Gewerkschaft, Carl Legien, am 15. November 1918 beschlossen wurde, machte das Kapital Zugeständnisse wie die Einrichtung von Arbeiterausschüssen, Abschluss von Kollektivverträgen und eben auch den 8-Stundentag. Aber im Gegenzug versprach der Vorsitzende der Gewerkschaft Legien, dass die Eigentumsverhältnisse nicht angetastet und die Arbeiter-und-Soldaten-Räte verschwinden würden. Eine Zusage, die der Revolution in den Rücken fiel. Denn die Arbeiterbewegung wollte anderes. Der zentrale Reichsrätekongress Mitte Dezember 1918 forderte die Sozialisierung der Schlüsselindustrien und die Kontrolle der Betriebe durch die Arbeiter. Der Preis, den der 8-Stundentag kostete, war also hoch. Aber gerade was man teuer bezahlt hat, muss man in Ehren halten und gegen alle Aufweichungstendenzen verteidigen. Wie zum Beispiel jetzt gegen den Vorstoß der baden-württembergischen CDU und von Arbeitgeberverbänden, die tägliche Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden auszuweiten.Trotz dieses Abkommens bleibt der 8-Stundentag ein großer Sieg der Revolution, ein großer Sieg im langen Kampf um eines der zentralen Elemente des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit. Dem Kapital bleibt es ein verhasstes Symbol der Revolution.In Stuttgart forderte der Arbeiterführer, Spartakist und Vorsitzende des Stuttgarter Arbeiterrats Fritz Rück auf der Kundgebung am 4. November 1918 auf dem Schlossplatz vor 40.000 Demonstranten den 7-Stundentag.
Auch in der „Roten Fahne“ vom 5. November, dem Mitteilungsblatt des Stuttgarter Arbeiter- und Soldatenrats, der sich am 4.11. gegründet hatte, wird die 7stündige Arbeitszeit als Forderung des Arbeiter- und Soldatenrates benannt – eine Besonderheit von Stuttgart.Diese Besonderheit hängt sicher auch damit zusammen, dass in Stuttgart einige Großbetriebe schon kürzere Arbeitszeiten eingeführt hatten. So zum Beispiel Daimler, der 1906 nach zähen Verhandlungen die Arbeitszeit auf 9,5 Stunden reduzierte, davon war ½ Stunde Pause. 1911 wird der freie Samstag Nachmittag eingeführt, allerdings ohne Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Noch besser war die Vereinbarung bei Bosch. Robert Bosch war als „sozialer“ Arbeitgeber bekannt. Dort wurde 1894 der 9-Stundentag und 1906 der 8-Stundentag eingeführt.
Allerdings tat dies Bosch nicht aus Liebe zur Arbeiterklasse, sondern weil dieselbe Warenmenge in kürzerer Zeit produziert werden kann, die Betriebsunkosten abnehmen, wenn die Arbeitstage kürzer sind, so Robert Bosch. Er nutzte also die Arbeitszeitverkürzung aus, um die Arbeitsintensität bei sinkendem Lohn zu steigern. Deswegen gab es 1913 bei Bosch große Streiks gegen die hohe Akkordleistung und die Absenkung der Akkordlöhne.
Dieses Beispiel zeigt die Zusammenhänge zwischen Arbeitszeit, Intensität und Lohn. Dies sind die 3 Stellschrauben, über die das Kapital die Ausbeutung der abhängig Beschäftigten steigert und seinen Mehrwert erhöht. Deshalb müssen sie bei Forderungen der Gewerkschaftsbewegung beachtet werden. Bei der Forderung nach der 30-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich bilden diese 3 Stellschrauben eine Einheit und sie ist deshalb gut geeignet, dem Kapital Paroli zu bieten.
Diese Forderung wird bisher getragen von der Gewerkschaftslinken, der Attac AG ArbeitFairTeilen, vielen gewerkschaftlichen Gliederungen insbesondere der Frauen und der Jugend, aber auch von vielen Frauenverbänden, von kirchlichen Arbeitnehmerorganisationen und vielen anderen.
Der Gegenwind kommt von vielen Kapitalverbänden und Regierungsparteien, die die Arbeitszeit weiter ausdehnen wollen und erkämpfte Schranken gegen die Ausdehnung des Arbeitstages schleifen wollen. Das Beispiel Österreich zeigt, was passiert, wenn die Rechten an die Regierung kommen. Dort wurde jetzt per Gesetz der Arbeitstag auf 12-Stunden verlängert – in dem Jahre, in dem auch Österreich das hundertjährige Jubiläum des 8 Stundentags feiert. Ein wundervolles Geschenk der Rechten an das Kapital, ein Frontalangriff auf die Gewerkschaftsbewegung.
Nach längerem Stillstand ist auch in Deutschland wieder Bewegung in die Debatte um kürzere Arbeitszeiten gekommen. Verschiedene Gewerkschaften haben Tarifverträge abgeschlossen, in denen es Wahlmöglichkeiten „Zeit statt Geld“ gibt. So die EVG und die IG Metall.
Wir als Gewerkschaftslinke meinen, dass diese neu abgeschlossenen Tarifverträge eine Zäsur bedeuten. In der Gewerkschaftsbewegung war die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung immer auch verbunden mit der Forderung nach Lohnausgleich. Und dieser ist praktisch obsolet in diesen Tarifverträgen. Die Arbeitszeitverkürzung wird aus der eigenen Tasche bezahlt, entweder komplett wie bei der EVG oder zu großen Teilen, wie bei der IG Metall. Dies halten wir für eine Abkehr von Grundpositionen der Gewerkschaftsbewegung.
Die reale Entwicklung zeigt, wie sehr sich viele Kolleginnen und Kollegen kürzere Arbeitszeiten wünschen. Dies liegt auch mit an der hohen Arbeitsintensität in allen Branchen. Die Krankenhausbeschäftigten haben mit ihren Kämpfen für mehr Personal zum Ausdruck gebracht, wie dringlich es ist, das Personal aufzustocken, um ein Stück weit der Hetze und dem Arbeitsdruck zu begegnen. Die Arbeitsintensität bekämpfen, heißt, an der Stellschraube der Intensität der Ausbeutung zu drehen. Die Arbeitszeit verkürzen ist die andere Stellschraube. Deshalb müssen diese Bewegungen zusammengebracht werden. Der Slogan von 1984 aus dem Streik um die 35-Stundenwoche „Mehr Zeit zum Leben – Lieben – Lachen“ muss wieder durch die Straßen hallen. Lasst uns nach 100 Jahren gemeinsam die Tür für den 6 Stundentag öffnen und im Bündnis mit anderen gesellschaftlichen Kräften den Kampf dafür gemeinsam führen.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.
 

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